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Risiko Low Carb - Teil I: Kurzfristige Auswirkungen

Momentan gibt es mal wieder Unmengen von Diätbüchern und sensationslüsternen Promi-Berichten in der Presse über die angeblich sensationellen Erfolge beim Abnehmen mit stark kohlenhydratreduzierten Diäten ("Low Carb"). Diese tauchten erstmals in den 1970er Jahren auf; seit dieser Zeit ist nicht viel an wissenschaftlichen Fakten hinzugekommen, wie diese Diäten überhaupt funktionieren und vor allem, welche langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen sie haben.

Das neuerliche Interesse an populären Diätbüchern wie die "Dr. Atkins Diät-Revolution", "Kohlenhydratsucht-Diät", "Protein Power" und "Sugar Busters!" ist auf eine steigende Zahl von Übergewichtigen und Insulinresistenzen zurückzuführen.

Alle diese Diäten haben gemeinsam, dass sie Eiweiß als Hauptbestandteil der Ernährung propagieren und den restlichen Energiebedarf durch Fett auffüllen.

Während jedoch eine "Low-Carb"-Diät die Kohlenhydrate radikal vermindert, wird die Aufnahme von Kalorien durch Eiweiß und Fett nur minimal angehoben, was insgesamt also einer kalorienreduzierten Diät gleichkommt.

Wir definieren eine "Low-Carb"-Diät als eine Ernährung mit weniger als 100g Kohlenhydraten pro Tag, so dass die Energieaufnahme bei einer solchen Diät sich typischerweise folgendermaßen verteilt: 50-60% Energie aus Fett, weniger als 30% aus Kohlenhydraten und 20-30% aus Eiweiß.

Um eine adäquate Vergleichsmöglichkeit zu haben, sind wir von einer Referenzdiät ausgegangen, bei der etwa 50% der Energie aus Kohlenhydraten stammt, und zwar aus Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse als Bestandteile einer insgesamt kalorienreduzierten Diät.

Verschiedene Low-Carb-Diäten

Die am häufigsten angewandte Low Carb-Diät ist die von Dr. Robert C. Atkins. Sein 1972 erschienenes Buch: "Dr. Atkins' Diät-Revolution" und die Neuausgabe von 1992, "Dr. Atkins' Neue Diät-Revolution" verkaufte sich weltweit millionenfach.

Diese Diät besteht in der Regel aus vier Stufen: zuerst eine zweiwöchige "Einführungsphase", bei der die Kohlenhydrataufnahme auf unter 20g pro Tag gesenkt werden soll, um die Ketose einzuleiten (Abbau von Fettsäuren in der Leber zu Ketonkörpern als Alternative zu Traubenzucker aus dem Abbau von Kohlenhydraten).

Während der Einführungsphase soll man Eiweiß in Form von Rind, Pute, Fisch, Huhn und Eiern zu sich nehmen, allerdings wird eine wesentlich höhere Proteinzufuhr, als man vorher gewöhnt war, nicht empfohlen. Ein unbegrenzter Fettkonsum ist jedoch erlaubt.

In dieser Phase ist kein Obst, Brot und keine Körner, stärkehaltige Gemüsesorten und Milchprodukte (außer fetter Käse, Sahne oder Butter) erlaubt.

Die Kohlenhydratbeschränkung wird im Laufe der folgenden Phasen mehr und mehr gelockert, solange, bis der Diätteilnehmer die täglich verzehrte Kohlenhydratmenge bestimmen kann, bei dem der Gewichtsverlust dennoch weitergeht.

Bei einigen liegt dieser Level bei nur 25g pro Tag, bei anderen bei 90g. Atkins empfiehlt außerdem, mittels Teststreifen täglich den Urin auf Ketonkörper zu untersuchen, um sicherzugehen, dass die Ketose anhält.

Die Kohlenhydratsucht-Diät zielt darauf ab, das wiederkehrende Verlangen nach "dickmachenden Kohlenhydraten" zu durchbrechen, indem der Verzehr von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln auf eine Mahlzeit pro Tag beschränkt wird.

Die Protein Power Diät sieht tägliche 0,75g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht vor mit weniger als 30g Kohlenhydraten pro Tag in der Einleitungsphase und später bis zu 55g. Verglichen mit der durchschnittlich üblichen Aufnahme an Kohlenhydraten und Eiweiß, ist die Protein Power Diät ihrer Natur nach eine kohlenhydrat- UND eiweißreduzierte Diät.

Die Sugar Busters!-Diät empfiehlt, auf Saccharose und Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index, wie Kartoffeln, Nudeln, Mais, weißem Reis und Karotten, zu verzichten, da diese Insulinspitzenlevel verursachen, die verantwortlich sind für das Einlagern von Fett und für Insulinresistenzen. (Die Tatsache, dass Saccharose einen mittlerem glykämischen Index hat, wird bei der Argumentation geflissentlich übersehen...)

Die Hauptprämisse der meisten populären Low-Carb-Diätbücher ist, dass eine Kohlenhydrateinschränkung zu einem niedrigeren basalen Insulinspiegel führt und damit für eine verstärkte Aufspaltung von Triglyceriden in freie Fettsäuren sorgt - was bei Übergewichtigen zu Fettverlust führen soll. In Wirklichkeit beruht ihr Hauptabnahmeeffekt in einer Reduktion der Gesamtkalorienaufnahme. Hier wird Fettverbrennung mit Fettabbau verwechselt

Mögliche kurzfristige gesundheitliche Auswirkungen von Low Carb Diäten

Ketose - eine gängige Stoffwechselveränderung unter einer kohlenhydratarmen Diät

Wenn die Nahrung knapp an Kohlenhydraten ist, greift der Körper auf seine Glykogenspeicher zurück (70-100g in der Leber und 400g in den Muskeln), um seinen Glukosebedarf zu decken. Diese sind nach ca. 24-48 Stunden erschöpft. Da jedes Gramm Glykogen an 3g Wasser gebunden ist, kann man sich schnell ausrechnen, dass ein Gewichtsverlust von 1-2 Kilogramm innerhalb der ersten Diätwoche möglich ist, wenn auch lediglich durch Wasser- und nicht durch Fettverlust. Ein weiterer Gewichtsverlust entsteht nur durch verminderte Energiezufuhr.

Sind die Glykogenspeicher erschöpft, ist der Körper in erster Linie auf die Fettverbrennung angewiesen , um seinen Energiebedarf zu decken.

Hierbei werden freie Fettsäuren im Blut zur Energiegewinnung von der Leber teilweise in Form von Acetacetat verbrannt, das noch weiter in β-Hydroxybutyrat umgewandelt werden kann (beide Verbindungen werden Ketonkörper genannt). Ketonkörper können von allen Geweben mit Mitochondrien, einschließlich Gehirn- und Muskelzellen, genutzt werden.

Ketonkörper werden von den Nieren gefiltert und verursachen einen Natrium- und damit auch Wasserverlust.

Es ist noch unklar, wie hoch die maximale Kohlenhydrataufnahme sein darf, um die Ketose noch zu ermöglichen.

Es gibt kaum Langzeitstudien über die Auswirkungen der Ketose, die wenigen stammen hauptsächlich aus der Anwendung von ketogenen Diäten bei der kindlichen Epilepsie.

Als unerwünschte Nebenwirkungen wurden hier Dehydration, Verdauungsstörungen, Hypoglykämie sowie Carnitin- und Vitaminmangel festgestellt; auch Wahrnehmungsstörungen, Hyperlipidämie, Neutrophilie, Harnsteine, Beeinträchtigung des Sehnervs und Osteoporose wurden bei einigen Patienten beobachtet.

Außerdem führt eine langfristige Ketose zu einem Harnsäureanstieg - mit den dadurch verbundenen möglicherweise gefährlichen Gesundheitheitsrisiken.

Eingeschränkte Nahrungsauswahl

Alle kalorienreduzierten Diäten führen zu Gewichts- und Körperfettverlust - keine Diät ist dabei einer anderen überlegen. (Letztendlich führt kein Weg daran vorbei, dass die Kalorienaufnahme den Kalorienverbrauch nicht überschreiten darf, will man nicht zunehmen.) Allerdings besteht bei extrem kohlenhydratarmen Diäten eher die Gefahr einer Mangelernährung: sie enthalten meist nicht genug Ballaststoffe, Vitamine, Eisen und Kalium. Außerdem werden bei Bevorzugung tierischer Proteinquellen mehr gesättigte Fette verzehrt.

Bei der Bewertung der Nährstoffdichte schneiden deshalb Low-Carb-Diäten generell schlechter ab als solche mit (hochwertigen) Kohlenhydraten aus Vollkorn, Gemüse, Obst und mageren Milchprodukten.

Eingeschränkte Leistungsfähigkeit bei Sport und körperlichem Aktivitäten

Ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor und während dem Sport schon für den normalen Ausübenden wichtig, um den Wasser- und Elektrolytverlust durch Schwitzen auszugleichen, gilt dies besonders für diejenigen, die gleichzeitig eine kohlenhydratarme Diät machen.

Die Ketose-bedingte Entwässerung und der Wasserverlust durch das Anzapfen der

Glykogenspeicher kann bei zu geringer Trinkmenge bedeuten, dass der Sporttreibende bereits leicht dehydriert "loslegt". Dies kann neben vorzeitigen Leistungseinbrüchen auch Verdauungsprobleme, Beeinträchigung der Mentalfunktion, Erhöhung der Körpertemperatur, Veränderungen des Blutdrucks und sogar Hitzschlag bedeuten!

Kurzfristige Begleiterscheinungen können Schwindel, Durst, Kopfschmerzen, Mundgeruch und Müdigkeit sein.

Studien haben gezeigt, dass die Ermüdung bei Untrainierten, die eine Low-Carb-Diät befolgen, schneller einsetzt als bei anderen Untrainierten. Bei Trainierten ist allerdings kein signifikanter Unterschied feststellbar.

Bei intensivem anaeroben Training muss sowohl Kreatinphosphat abgebaut als auch Glykogen aus den Muskeln verbraucht werden. Es hat sich gezeigt, dass Low-Carb-Diäten, bedingt durch die Reduzierung des Glykogens in den Muskelspeichern und damit einer verminderten Glykolyse, die Leistung schmälern.

Einige Studien belegen, dass bei untrainierten Personen, die vorher eine kohlenhydratarme Diät eingehalten hatten, die Ermüdung schneller einsetzt verglichen mit Personen, die eine Ernährung mit gemäßigter oder hoher Kohlenhydrataufnahme bevorzugen.

Allerdings haben ähnliche Studien gezeigt, dass bei trainierten Personen dieser Unterschied nicht signifikant war.

Eine niedrige Kohlenhydrataufnahme über drei bis vier Tage führt zu einer Übersäuerung des Stoffwechsels, da mehr freie Fettsäuren und 3-Hydroxybutyrate zirkulieren.

Diese Übersäuerung soll die Ursache des Leistungsabfalls sein, was allerdings nur durch wenige Studien gestützt wird.

Bei aerobem, also Ausdauertraining macht sich die mangelnde Fähigkeit zur Fettverbrennung negativ bemerkbar, sobald die Glykogenspeicher leer sind. Der Körper ist also ohne eine gewisse Mindestmenge an Kohlenhydraten nicht in der Lage, das Fett optimal für die Energiegewinnung zu nutzen. Daher kommt auch der, biologisch nicht ganz richtige, Ausspruch „Fett verbrennt im Feuer der Kohlenhydrathe“.

Da mehr Sport oft mit einer Diät kombiniert wird, wäre es also immens wichtig zu untersuchen, welchen negativen Einfluss eine Low-Carb-Diät auf die Leistungsfähigkeit und damit die Möglichkeit, optimal zu trainieren und dadurch abzunehmen, auf einen übergewichtigen, untrainierten Diätkandidaten hat - solche Studien fehlen zur Zeit aber noch.

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